Am 18. Mai 1904 unterzeichneten 13 europäische Staaten das bahnbrechende „Internationale Abkommen zur Bekämpfung des Frauenhandels“. Dieses Ereignis markierte den Beginn eines über 100 Jahre andauernden Kampfes gegen den Menschenhandel, insbesondere den Frauenhandel. Seitdem haben sich die internationalen Bemühungen zur Eindämmung dieses Problems stetig weiterentwickelt und intensiviert.
Bereits in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre existierten mehrere bilaterale Verträge zur Behandlung von ausländischen Prostituierten. Doch erst mit dem Pariser Abkommen von 1904 wurde Frauenhandel erstmals als internationales Verbrechen definiert und nicht mehr nur als unmoralischer Akt betrachtet. Der Völkerbund spielte in der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg eine zentrale Rolle in der Bekämpfung des Frauenhandels, und 1933 wurde dieser grundlegend strafbar, wodurch die Unterscheidung zwischen minderjährigen und volljährigen Frauen aufgehoben wurde.
Trotz der Unterbrechungen durch die beiden Weltkriege verstärkte sich in der Zwischenkriegszeit das Engagement für grenzübergreifende Einigungen gegen den Menschenhandel. Laut einem Bericht von 1939 wurde „kaum ein anderes Delikt“ so umfassend bekämpft wie der Mädchenhandel. Dennoch fanden Menschenhandelproblematiken erst in den 1970er Jahren Eingang in neue Gesetze in Europa. Der Fokus im ausgehenden 20. Jahrhundert lag weiterhin auf Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, während Zwangsarbeit und Organhandel weniger diskutiert wurden.
Die Wurzeln moderner Anti-Trafficking-Politik
Die Ursprünge der heutigen Politik gegen Menschenhandel reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Damals setzte sich die Abolitionismus-Bewegung in England unter der Führung von Josephine Butler gegen Zwangsprostitution ein. Der Begriff „White Slavery“ entstand zu jener Zeit, um die Gefahr des Menschenhandels für weiße Frauen in Europa ins Bewusstsein zu rücken – in Abgrenzung zum Handel mit schwarzen Sklaven.
Kampf dem Weißen Sklavenhandel
Um die Jahrhundertwende wuchs die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema Menschenhandel stark an. Zeitungsberichte, Bücher und Filme trugen dazu bei, die Bevölkerung für die Problematik zu sensibilisieren. Schockierende Fälle wie der Verkauf eines 12-jährigen Mädchens von England nach Belgien führten zu einem Aufschrei in der Gesellschaft. Der Slogan „Eine von uns!“ verdeutlichte, dass es sich bei den Opfern nicht um Fremde handelte, sondern um Frauen und Mädchen aus der eigenen Mitte.
Eine von uns! Die wachsende öffentliche Aufmerksamkeit
Der öffentliche Druck trug maßgeblich dazu bei, dass das Thema Menschenhandel auf die politische Agenda gelangte. Die Abolitionismus-Bewegung forderte ein entschiedenes Vorgehen gegen die Ausbeutung von Frauen in der Prostitution. Josephine Butler und ihre Mitstreiterinnen prangerten die Doppelmoral an, die Frauen kriminalisierte, während die Freier straffrei ausgingen. Ihr Engagement legte den Grundstein für das Pariser Abkommen von 1904, das erstmals internationale Maßnahmen gegen den Frauenhandel vorsah.
Das Pariser Abkommen von 1904
Das Pariser Abkommen von 1904 markierte einen bedeutenden Meilenstein im Kampf gegen den Frauenhandel. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde das Thema auf die politische Agenda gesetzt und international angegangen. An dem Abkommen beteiligten sich zunächst 13 europäische Staaten, darunter auch das Deutsche Kaiserreich. In den folgenden Jahren traten weitere Länder bei, um gemeinsam gegen den sogenannten „Weißen Sklavenhandel“ vorzugehen.
Frauenhandel erstmals auf der politischen Agenda
Die Unterzeichnung des Pariser Abkommens 1904 war ein klares Signal, dass die internationale Gemeinschaft den Frauenhandel nicht länger tolerieren würde. Durch die Zusammenarbeit der beteiligten Staaten sollten Maßnahmen zur Prävention, Strafverfolgung und zum Schutz der Opfer koordiniert werden. Obwohl das Abkommen zunächst nur von einer begrenzten Anzahl von Ländern unterzeichnet wurde, setzte es ein wichtiges Zeichen und ebnete den Weg für weitere internationale Bemühungen.
Der lange Weg der Umsetzung
Die Umsetzung des Pariser Abkommens in nationales Recht gestaltete sich jedoch langwierig und unterschiedlich. Jedes Land hatte seine eigenen Traditionen im Umgang mit Prostitution und Zuhälterei, was die einheitliche Anwendung der Bestimmungen erschwerte. In Deutschland trat beispielsweise erst 1913 das Gesetz zur Bekämpfung des Mädchenhandels in Kraft. Trotz der gesetzlichen Regelungen wurden nur wenige Täter verurteilt, was auf eine hohe Dunkelziffer schließen lässt.
Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm der neu gegründete Völkerbund eine koordinierende Rolle und trieb weitere Abkommen voran. Ein wichtiger Schritt war die Erweiterung des Straftatbestands auf den Handel mit Frauen unabhängig von ihrem Alter, die 1933 beschlossen wurde. Dennoch blieben andere Formen der Ausbeutung, wie etwa Zwangsarbeit, vorerst unberücksichtigt. Der Kampf gegen den Frauenhandel ist bis heute eine internationale Herausforderung, die ein entschlossenes Vorgehen auf politischer Ebene erfordert.
Internationales Abkommen gegen Frauenhandel in der Gegenwart
Die Bekämpfung des Menschenhandels, insbesondere des Frauenhandels, ist auch heute noch ein dringendes Anliegen der internationalen Gemeinschaft. Das Palermo-Protokoll der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2000 bildet dabei die wichtigste völkerrechtliche Grundlage. Inzwischen sind dem Protokoll 181 Staaten beigetreten, von denen es 117 ratifiziert haben. Die Umsetzung wird regelmäßig durch Resolutionen der UN-Generalversammlung überprüft.
Maßnahmen der Vereinten Nationen
Die Vereinten Nationen schätzen, dass jährlich über 700.000 Frauen Opfer von Menschenhandel werden, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Viele Betroffene stammen aus Osteuropa und werden unter falschen Versprechungen ins Ausland gelockt, wo sie häufig in der Prostitution landen. Die UN unterstützen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Palermo-Protokolls durch das Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC).
Übereinkommen des Europarates und die Expertengruppe GRETA
Auf europäischer Ebene spielt die Konvention des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels eine wichtige Rolle. Sie wurde bisher von 48 Staaten ratifiziert. Die Expertengruppe GRETA überprüft die Umsetzung der Konvention in den Mitgliedstaaten. Deutschland befindet sich derzeit in der dritten Evaluierungsrunde, die den Zugang zu Recht und effektiven Rechtsmitteln für Betroffene in den Fokus nimmt. Der GRETA-Bericht über Deutschland wurde am 7. Juni 2024 veröffentlicht, bis zum 21. Juni 2026 muss die Bundesregierung über die Umsetzung der Empfehlungen berichten.
Aktuelle Maßnahmen auf Ebene der Europäischen Union
Die Europäische Union hat 2011 eine Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels verabschiedet, die 2016 vollständig in deutsches Recht umgesetzt wurde. Im Dezember 2022 legte die EU-Kommission einen Änderungsvorschlag vor, der derzeit diskutiert wird. Zudem wurde die EU-Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels 2021 neu ausgerichtet, um den Schutz und die Stärkung von Betroffenen zu verbessern. Seit 2006 besteht die Task-Force against Trafficking in Human Beings, in der die Mitgliedstaaten des Ostseerates zusammenarbeiten. Deutschland hatte von Juli 2022 bis Juni 2023 den Vorsitz des Ostseerates inne.
Quellenverweise
- PDF – https://www.bmi.gv.at/104/Wissenschaft_und_Forschung/SIAK-Journal/SIAK-Journal-Ausgaben/Jahrgang_2016/files/Weidel_1_2016.pdf
- Interview: „Wir blicken mit Sorge nach Serbien“ – https://www.diepresse.com/196848/interview-wir-blicken-mit-sorge-nach-serbien
- Master Arbeit – https://phaidra.univie.ac.at/open/o:1259787
- Moderne Sklaverei_Haberl – https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/227291/full.pdf
- PDF – https://www.unine.ch/sfm/wp-content/uploads/sites/100/SFM-Studies-52d.pdf
- 4. Mai 1910 – Abkommen gegen Mädchenhandel wird geschlossen – https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-abkommen-gegen-maedchenhandel-100.html
- Die Sicherheit der Menschenrechte – Bekämpfung des Menschenhandels zwischen Sicherheitspolitik und Menschenrechtsschutz – https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/70059/ssoar-2014-uhl-Die_Sicherheit_der_Menschenrechte_Bekampfung.pdf?sequence=1&isAllowed=y
- Internationale Verpflichtungen zur Bekämpfung von Menschenhandel – https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/bekaempfung-des-menschenhandels-auf-internationaler-ebene/internationale-verpflichtungen-zur-bekaempfung-von-menschenhandel-80606
- 100 Jahre Internationales Abkommen gegen Frauenhandel – https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/voelkerbund-100-jahre-internationales-abkommen-gegen-frauenhandel
- Kampf gegen den Menschenhandel – https://www.bmeia.gv.at/themen/menschenrechte/kampf-gegen-den-menschenhandel